titel / corona Employee Experience entsteht in verschiedenen Bereichen Employee Experience entfaltet sich innerhalb eines Unternehmens in drei Dimensionen: Physical Space, Digital Technology und Cul- ture. 1. Zum „Physical Space“ zählen der phy- sische Arbeitsplatz sowie die Arbeitsbe- dingungen, also beispielsweise flexible Ar- beitszeiten oder mobiles Arbeiten. 2. „Digital Technology“ umfasst die Tools und technischen Lösungen, mit denen Mitarbeiter arbeiten (müssen), sowie deren Handhabung und Bedienung, die oft mehr businessorientiert als benutzerfreundlich ist. 3. Zur Dimension „Culture“ gehören die vielen Aspekte der Unternehmenskultur, wie zum Beispiel das Verhalten der Füh- rungskräfte, die Gleichbehandlung, Wert- schätzung, Anerkennung, aber auch der Umgang mit innovativen Ideen oder die Bezahlung. Darüber hinaus gibt es weitere Faktoren, die für die Employee Experience ausschlagge- bend sind, die sogenannten „moments that matter“. Diese „entscheidenden Momente“ erleben Mitarbeiter entlang der gesam- ten Journey „from pre-hire to retire“. Denn ob Unternehmen es wollen oder nicht: Sie haben mit aktuellen, potenziellen oder ehe- maligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine lebenslange Beziehung. Diese Beziehung beginnt mit dem ersten Eindruck, den ein po- tenzieller Bewerber vom Unternehmen erhält. Er kann sich durch den Besuch auf der Karri- erewebsite des Unternehmens bilden, durch Aussagen auf einer Bewertungsplattform oder durch einen Bekannten, der das Unter- nehmen empfiehlt. Die Beziehung setzt sich über den Recruitingprozess, das Onboarding sowie die Karriereentwicklung fort und reicht bis zum Ausscheiden der Mitarbeiter aus der Firma. Und selbst danach erinnern sich Mitar- beiter und geben diese Erinnerungen weiter. All diese unterschiedlichen Momente sind wichtig für die Employee Experience. Ein oft schlecht gestalteter erster Arbeitstag (kein Empfang, Chef nicht da, Equipment fehlt) – und das kommt öfter vor, als man denkt – lässt die Motivation von neuen Mitarbeitern bereits am Anfang, wo das Motivationslevel noch besonders hoch ist, dramatisch sinken. Das und alle anderen Momente haben einen Einfluss auf das Engagement jedes Einzelnen und damit auch auf die Performance im Un- ternehmen. Sie entscheiden, ob die Mitarbei- ter engagiert und loyal sind, nur Dienst nach Vorschrift machen oder sich sogar schon im Zustand der inneren Kündigung befinden. Zahlen aus den regelmäßigen Erhebungen von Gallup zeigen, dass Arbeitnehmer mehr- heitlich Dienst nach Vorschrift machen (70 Prozent) oder sogar schon innerlich ge- kündigt haben (16 Prozent). Das kostet Un- ternehmen viel Geld. Warum sollten Unternehmen aktiv in die Gestaltung von Employee Experience investieren? Wenn das Interesse von Führungskräften für das Thema Employee Experience nicht aus tiefstem Herzen kommt, was schade wäre, sollte das leitende Management wenigstens der Einfluss der Employee Experience auf die Kennzahlen und Kosten beziehungsweise Potenziale überzeugen. Der ist nämlich ge- waltig. Ein Vergleich des Harvard Business Review in den USA hat ergeben, dass Unter- nehmen, die aktiv in die Gestaltung von Em- ployee Experience investieren, andere Unter- nehmen, die das nicht tun, um das 2,1-Fache beim Umsatz, um das 4,2-Fache beim Ertrag, um das 1,5-Fache beim Mitarbeiterwachs- tum und um das 1,5-Fache bei der Bezah- lung der Mitarbeiter übertreffen. Employee Experience hat einen direkten Einfluss auf Umsatz, Ertrag, die sogenannten „Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization“ (EBITDA), den Brand Trust, die Kundenzufriedenheit (Net Promoter Score) und die Innovation. Im Personalbereich hat Employee Experience einen massiven Einfluss auf Kennzahlen beziehungsweise Indikatoren wie Empfehlungsmarketing beziehungsweise Referrals – die neue harte Währung bei der Werbung neuer Mitarbeiter –, Fluktuation, Fehlzeiten, Engagement Score, interne Be- werbungen, Bindung und Rückgewinnung, Weiterentwicklung und Zufriedenheit so- wie die Ratings auf Bewertungsplattformen wie kununu und Glassdoor, von denen sich laut einer Bitkom-Studie 80 Prozent der Besucher dieser Plattformen beeinflussen lassen. Anhand der Fluktuation lässt sich der Einfluss in Zahlen bemessen. Autor und HR-Manager Marcus Reif hat für ein fiktives Unterneh- men mit 6.000 Mitarbeitern errechnet, dass bei einer Fluktuationsrate von rund acht Prozent jährliche Kosten von etwa 79 Mil- lionen Euro entstehen. Führt man sich das Bonmot vor Augen, wonach Mitarbeiter nicht ihren Job, sondern ihrem Chef oder einer to- xischen Arbeitsumgebung kündigen („People do not quit jobs, they quit bosses and toxic environments“), wird klar, dass eine schlechte Employee Experience nicht nur dieses fiktive, sondern alle Unternehmen sehr viel Geld kos- tet. Das könnten sie mit kleinem Investment in Employee Experience größtenteils sparen. Wo beginnt die Arbeit an der Employee Experience? Möchte ein Unternehmen Employee Expe- rience Design ehrlich umsetzen, muss sich das oberste Management zuallererst eine Frage stellen und ohne Wenn und Aber mit Ja beantworten: „Do you really, really care?“ Nur wenn es CEOs, Vorständen und Geschäfts- führern „wirklich, wirklich wichtig“ ist und die oberste Managementebene auch glaub- haft danach handelt, kann das Vertrauen für diese Initiative aufgebaut werden. Nur dann werden die Führungskräfte mitmachen und auch die Mitarbeiter folgen. Nur mit diesem Rückhalt wird auch HR als Koordinator – notfalls auch gegen interne Widerstände – erfolgreich sein können. Ein Lippenbekennt- nis ohne ehrlichen Willen und ohne das Ziel zu verfolgen, das Erlebnis Job zu verbessern, führt zu mehr Frustration und weniger Mo- tivation. Wer ist für Design und Gestaltung von Employee Experience verantwortlich? Die erste Antwort auf die Frage, wer für die Gestaltung der Employee Experience zustän- dig ist, lautet häufig: HR. Das ist jedoch nur zum Teil richtig. Denn zunächst einmal geht es darum, an den entscheidenden Stellen im Unternehmen (= oberste Führungsebene, CEO, Geschäftsführung) ein Verständnis für das Thema zu erzeugen, um Employee Expe- rience anschließend das notwendige Gewicht zu geben. Wenn es schon keine intrinsische Motivation des C-Levels ist, so lassen sie sich mit Zahlen zum Impact der Employee Expe- rience auf die Unternehmensperformance ganz gut überzeugen. Besser ist aber natür- 40 personal manager 3/2020